„Er hat mich wieder belogen.“
Die Worte kommen Daniela leise über die Lippen – fast so, als könnte sie es selbst noch nicht glauben. Doch in ihrem Inneren hat sich längst etwas verhärtet. Nicht Wut. Nicht einmal Trauer. Sondern eine nüchterne, kalte Klarheit, die schmerzhafter ist als jeder Schrei.
Dragan ist verschwunden. Spurlos. Und doch ist er überall. In jeder Erinnerung, in jedem Blick, den Henning ihr zuwirft. In jeder Lücke zwischen Vertrauen und Zweifel.
Was als vorsichtiger Versuch begonnen hatte – eine Reise, ein Aufbruch, vielleicht sogar ein Neuanfang – liegt nun in Trümmern. Denn Daniela hat endlich erkannt, was sie zu lange ignoriert hat: Dragan hat sie nie losgelassen. Und er hat nie aufgehört, mit ihr zu spielen.
Der Wendepunkt kam schleichend. Kleine Unstimmigkeiten in seinen Erzählungen. Ein Ort, den er angeblich nie kannte, aber plötzlich in seinen Erinnerungen auftauchte. Ein Name, den er erwähnte, obwohl Daniela ihn nie genannt hatte. Am Anfang hatte sie es als Stress abgetan. Als Druck. Doch irgendwann konnte sie die Augen nicht mehr verschließen.
Es war ein Anruf, der alles veränderte. Ein alter Kontakt, jemand aus Dragans Vergangenheit, rief sie mitten in der Nacht an. Keine Drohung. Keine Erpressung. Nur ein Satz: „Du denkst, er ist weg. Aber er hat schon den nächsten Schritt gemacht.“
Daniela begann zu suchen. Alte Nachrichten. Verschwundene E-Mails. Eine Telefonnummer, die sie einst blockiert hatte. Und langsam fügte sich das Puzzle zusammen. Dragan war nie ehrlich gewesen – nicht bei ihrer Rückkehr, nicht bei der gemeinsamen Flucht, nicht bei seinen Versprechungen. Vieles war inszeniert. Vieles manipuliert. Und manches davon hatte ein Ziel: Sie von Henning zu entfernen.
Denn Dragan wusste, dass Daniela bei Henning sicher war. Dass sie dort Stabilität fand – vielleicht sogar Liebe. Und genau das konnte er nicht ertragen. Deshalb setzte er auf Spaltung. Auf Zweifel. Auf emotionale Sabotage.
Und es wirkte. Denn Henning spürte die Distanz, noch bevor Daniela selbst es begriff. Ihre Gespräche wurden kürzer. Ihre Blicke misstrauischer. Kleine Streitereien über scheinbar Belangloses eskalierten zu Schweigen. Und obwohl Dragan physisch nicht mehr da war – sein Einfluss war wie Gift, das langsam wirkte.
Henning wollte kämpfen. Aber wie kämpft man gegen einen Geist? Gegen einen Mann, der verschwindet, aber seine Spuren so hinterlässt, dass sie nicht mehr zu löschen sind?
Daniela schwankte. Zwischen Loyalität und Schuld. Zwischen der Sehnsucht nach Ruhe und der Angst, erneut zu vertrauen. Doch tief in sich wusste sie: Wenn sie jetzt nicht handelt, wird sie alles verlieren – sich selbst, und auch Henning.
In einem Moment radikaler Ehrlichkeit konfrontierte sie ihn. Kein Geschrei. Kein Drama. Nur ein Satz: „Ich war nicht ehrlich – weil ich mir selbst nicht geglaubt habe.“ Henning sah sie an. Und verstand. Dass es nicht um Dragan ging. Sondern um die Risse in ihr. Um das Trauma, das nie geheilt wurde.
Jetzt stehen sie vor einer Entscheidung: Zusammenhalten – oder auseinanderdriften. Der Weg zurück ist steinig. Aber möglich. Wenn sie beide bereit sind, dem Schatten von Dragan die Stirn zu bieten.